Es ist wie im Leben. Beim ersten Spaziergang durch Ubud achten wir zunächst mal auf das, was am lautesten und schrillsten um Aufmerksamkeit buhlt: die Rufe der Souvenirhändler; die pausenlos abgeschossene Frage „Taxi?“, auch wenn man eine Sekunde zuvor aus einem solchen geklettert ist; den überbordenden Verkehr am Nachmittag. Da für Parkplätze kein Platz ist, wird die ganze Stadt zum Parkplatz. Im August ist es am schlimmsten, da stauen sich die Fahrzeuge schon Kilometer vor den Ortseingängen. All das nervt, all das ist real vorhanden und doch nicht die ganze Wahrheit, sondern nur selektive Wahrnehmung.

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Denn es liegt in meinem Ermessen, meine Aufmerksamkeit zu verlagern, was mit jedem bewussten Moment leichter fällt. Dann ist es plötzlich ganz einfach, im wibbeligen Trubel die immer schon gegenwärtige Schönheit zu sehen, die Harmonie der Hindu-Tempel, den auch in der Stadt allgegenwärtigen Dschungel. Er begegnet dir entweder als grüne Wand, oder er drängt durch alle Ritzen, als wollte er sagen: Dies ist mein Revier.

Der größte Trumpf Balis aber sind seine Menschen und ihre entwaffnende Liebenswürdigkeit. Ihre Wärme im Umgang miteinander und mit Gästen scheint weder oberflächlich noch situativ; nicht berechnend, sondern substanzieller Wesenszug.

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Foto Faszination Fernost/B. Linnhoff

Dazu passt die so sanfte wie selbstgewisse Heiterkeit der balinesischen Kinder, wenn sie aus der Schule im Zentrum Ubuds kommen und sich auf die Stufen der Shops setzen, ehe sie von den Eltern abgeholt und auf Motorrad-Rücksitzen im zeitlupenartig mäandernden Verkehrschaos entschwinden; die Jugendichen fahren selbst.

Gemälde, Holzschnitzereien, Skulpturen. Kunst, Kunsthandwerk, Trash oder Kitsch – die Grenzen sind fließend in Ubud, ich bin da kein Experte, eher Amateur, also Liebhaber in des Wortes ursprünglicher Bedeutung. Das Magazin „Playboy“ fragte einmal seine Leser nach ihrer Definition von Kunst. Diese gefiel mir am besten: Kunst ist nur als Kunst Kunst, alles andere ist alles andere.

Balis Natur als Thema oder Hintergrund verfehlt ihre Wirkung selten, daher dominieren diese Motive den Art Market Ubud, den Markt für die Masse.

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Die meisten Künstler und Kunsthandwerker bemühen sich nicht um einen Markt für ihre Werke – der Markt findet sie, und dieser Markt ist ein globaler. „Gangga“ in der Ubud Main Road ist eine von vielen gut sortierten Galerien, dort decken wir uns ein. Viele der Objekte gefallen uns, doch in der Beschränkung zeigt sich der Meister. Wenn auch ungern. Mir gefällt der sitzende Buddha (Foto), und den erstehe ich dann auch für 1050 Indonesische Rupien, knapp unter 70 Euro.

Einige Besucher fühlen sich von der bild- und farbstarken Umgebung Ubuds und vom Ruf der Stadt so animiert, dass sie selbst kreativ werden wollen. Im Museum Puri Lukisan können sie das unter fachkundiger Anleitung.

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Fotos Faszination Fernost/B. Linnhoff

Am Straßenrand weist ein Schild auf I Gusti Nyoman Lempad hin, einen Maler und Bildhauer. Eine unverschlossene Tür lädt ein zum Besuch seines Freiluft-Ateliers, keine drei Meter von der Hauptstraße Raya Ubud entfernt und doch ein Hort der Ruhe. Schade, dass der Künstler nicht zugegen ist, denke ich.

Sein Werk hingegen ist sehr präsent und in Material und Stil universell – unverwechselbare Fingerabdrücke eines so phantasievollen wie produktiven Mannes. Alle Objekte harmonieren mit der natürlichen Galerie eines tropischen Gartens – ein paar Pflanzen und Sträucher mehr, und ich bräuchte eine Machete.

Letzlich aber stehen alle Besucher vor einem Käfig, darin hängt kopfüber ein veritabler Flughund. Bilder und Skulpturen habe wir schließlich schon einige gesehen, einen Flughund aus 50 cm Entfernung noch nicht.

Später bin ich froh, dass ich nicht um ein persönliches Gespräch mit dem Künstler gebeten habe. I Gusti Nyoman Lempad starb 1978, im Alter von etwa 116 Jahren. Die Insel-Ikone baute die Tempel und Paläste Ubuds; wie bei vielen Balinesen aus jener Zeit bleibt Lempads exaktes Geburtsdatum im Dunklen. Geheiratet hat er jedenfalls, als der Vulkan Krakatoa ausbrach: 1883. Als 60-Jähriger zählte er Walter Spies zu seinen Freunden – und hatte noch ein halbes Leben vor sich.

Fotos: Faszination Fernost/B. Linnhoff, U. Wojatzek

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