Menschen, die auf Bänken tanzen

Siem Reap bei Nacht. Angkor Wat und Ballermann – wie verträgt sich das? Will ich wirklich eine Pub Street sehen im Old French Quarter? Eine Fußgängerzone mit, Garküchen, Pubs und Restaurants, von denen zwei ab 22 Uhr als Diskotheken das Gelände beschallen? Die Tempel der Nacht öffnen, und das tausend Jahre alte, lebendige Erbe des Khmer-Reichs mutiert zu totem Stein. Angkor What?

Fotos Faszination Fernost/B. Linnhoff

Warum auch nicht: Die Restaurants und Bars in der Pub Street achten bei Ambiente und gastronomischem Angebot eher auf Niveau. So verlieren sich die Parallelen zu Mallorcas Ballermann meist im Marginalen. Und: Mögen wir Menschen, die so ausgelassen auf Bänken tanzen wie in Siem Reap? Aber ja!

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Foto Faszination Fernost/B. Linnhoff

Wer es ruhiger und doch atmosphärisch dicht mag, ist in den schmalen Nebengassen Alley West und „The Passage“ hervorragend aufgehoben. Es sei denn, in der „Gay-Bar „Linga“ werden die fabelhaften Cocktails gerade zur Nebensache, weil die Ladyboys eine schräge Show abziehen. Dann ist die hohle Gasse sofort verstopft, da amüsieren sich Schwule und Heteros dicht an dicht.

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Der Kambodschaner läuft nicht Amok, er isst es. Die variantenreiche Nationalspeise der Khmer, ursprünglich ein Gericht mit gedämpftem Fisch, findet man heute auch als Hühnchen-Version. Eine Attacke auf alle Sinne, das ist die so reichhaltige wie delikate Khmer-Küche.

Eine Pizza namens Kampuccino

140505_Kampuccino

Die Menschen im ehemaligen Kampuchea haben viel nachzuholen. Sie versuchen zugleich, die Wünsche und Bedürfnisse der Touristen aus aller Welt zu erahnen. Dabei entwickeln sie eine beeindruckende Kreativität. Selbst die Namen der Restaurants sollen für die Gäste Exotik mit einer Prise Vertrautem verbinden. So wächst zusammen, was noch vor der Geburt getrennt gehörte. „Kampuccino“ ist eines dieser hybriden Konstrukte, ein kambodschanischer „Italiener“ oder umgekehrt. Klare Ansagen hingegen findet, wer auf das französisch-koloniale Erbe setzt, beim Café Central oder beim Grand Café.

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Mein allererster Test des kulinarischen Angebots in der Pub Street erwies sich als seltener Missgriff. Die Ente, die ich erwischte, hatte ihr Dasein auf Erden offensichtlich nach den hehren Regeln des Tierschutzes fristen dürfen. Sie war auf keinen Fall gemeuchelt worden, sondern nach einem langen, erfüllten Dasein einfach tot umgefallen. Schon zu Lebzeiten wurde ihr eine gewisse Zähigkeit attestiert, von der sie auch posthum nicht lassen wollte. Ich habe nach dem Verzehr direkt einen Jägermeister hinterher geschossen, dennoch gab das Tier noch stundenlang Pfötchen.

Wir hätten beide Besseres verdient gehabt. Sie ein würdigeres Ende und ich eine jüngere Ente.

Fotos Faszination Fernost/B. Linnhoff

Dann aber, im zweiten Versuch, das volle Programm. Die Champey Degustation für zwei Personen, 28.50 Dollar, eine Spezialität des „Champey“-Restaurants: Gebratene Hühnchen-Frühlingsrollen, Meeresfrüchtesalad an bzw. in Grapefruit, Fischsuppe nach Siem-Reap-Art, Khmer Red Curry mit Rindfleisch, Kambodscha-Lobster vom Grill, gedämpfter Jasmin-Reis, zum Nachtisch eine Kürbis-Eierspeise. Muss ich mehr sagen? Mehr essen konnte ich jedenfalls nicht. Der schieren Menge wegen lag mir das köstliche Essen wie ein Stein im Magen. Jägermeister oder  Fernet Branca hätten die Rettung sein können. Doch beide standen nicht auf der Karte.

Foto Faszination Fernost/B. Linnhoff

Wirklich landestypisch speist der Gourmet in Kambodscha natürlich auf der Straße, wo das Getier nicht mehr weglaufen kann.

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Für den gepflegten Absacker ist das „Red Piano“ eine gute Wahl. Gelegen am Ende oder, je nach Herangehensweise, am Anfang der Pub Street. Ein prima Fleck, um dem Treiben auf der Straße zuzuschauen.

The Red Piano (Foto Faszination Fernost/B. Linnhoff)

Eine gute, wenngleich längst nicht die einzige Wahl für den, der den Abend im ehemaligen französischen Viertel in angenehmer Atmosphäre abrunden möchte.

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