Fliegen kann jeder

Der Ritt von Bangkok nach Siem Reap im Norden Kambodschas ist auch für Stoppelhopser ein Klacks: 45 Minuten. Mein Freund und Kollege Klaus Hoeltzenbein und ich haben die Variante Landweg probiert. Mit dem Bus komfortabel in gut drei Stunden von Bangkok zur thailändischen Grenzstadt Aranyaphratet, Fahrpreis umgerechnet 4,50 Euro; von Poipet auf kambodschanischer Seite mit dem Taxi trotz Regen in nur knapp zwei Stunden nach Siem Reap. Fahrpreis 850 Baht pro Person, ca. 22,- Euro – das kann, wer will, auch noch herunterhandeln.

Die Gesamtreisezeit via Straße ist nicht wesentlich länger als das luftige Arrangement (Fahrt zum Flughafen, Wartezeit, Pass- und Sicherheitskontrolle etc.) und kostet etwa ein Achtel des Flugpreises.

Im Bus erwischten wir die beiden letzten freien Plätze. Die Mitfahrer am frühen Morgen hatten ein anderes Ziel als wir. Denn auf kambodschanischem Boden, unmittelbar hinter der Grenze, warten Casinos auf spielsüchtige Kunden. In Thailand sind sie illegal, die Casinos. Das heißt nicht, dass es sie nicht gibt.

Hier bringen wir Chuwit Kamolvisit ins Spiel. Sein Vermögen machte und macht er noch mit Massagesalons. Chuwit ist die schillerndste Figur der politischen Szene Thailands, und diesen Ruf erhält man nicht geschenkt. Den Wahlkampf vor einem Jahr bestritt er u. a. mit seinem weißen Pitbull Motomoto.

120310_Bangkok_Foto-Chuwit-Motomoto

Chuwits Plakate sind Legende. Keiner weiß, was sie darstellen sollen, jeder guckt hin. Immerhin gewann der Massage-Tycoon mit seiner Partei Rak Prathet Thai (Love Thailand) vier Sitze im Parlament – zu wenig, um Politik zu machen, aber absolut ausreichend, um die großen Parteien immer wieder durch die Arena zu treiben.

Zu Jahresbeginn schreckte er das Parlament mit der Nachricht auf, er wisse, wo in Bangkok große, illegale Casinos stünden. Er nannte eine Adresse im Zentrum. Die Polizei sah sich zu einer Razzia gezwungen, die sie mit einigem Vorlauf öffentlich ankündigte. So konnte das Resultat („Kein Casino vorhanden“) niemanden überraschen.

Chuwit präsentierte allerdings im Parlament ein Video, welches zeigte, wie vor der Razzia nächtens mit viel Mühe Casino-typisches Mobiliar aus dem Gebäude geschleppt wurde. Die Polizei war nicht amüsiert.

Seinem Pitbull nicht unähnlich, verbiss sich Chuwit eine Zeit lang in das Thema Spielhöllen und erreichte immerhin, dass die Zocker unruhig wurden. Und – da schließt sich der Kreis – nach Kambodscha fuhren. 1500 bis 3000 hoffnungsvolle Gambler sollen es an manchen Knotenpunkten täglich sein, an Wochenenden bis zu 5000.

Motomoto hat es sich übrigens im Moment ein wenig mit der Sympathie seines Herrchens verscherzt, nachdem er (der Hund) seine Beißerchen in den Arm von Chuwits schwedischem Hausnachbarn schlug. Das Bumrungrad-Hospital stellte für die Behandlung des Arms knapp 1,6 Mio. Baht in Rechnung, ca. 30 000 Euro.

In den sechs Stunden Fahrt von Bangkok nach Siem Reap sind optische Höhepunkte dünn gesät; es fällt sofort auf, dass Kambodschas Countryside ärmer ist als das thailändische Gegenstück. Unterhaltsam wird es nur an der Grenze, wo uns smarte Thais die Beschaffung des Kambodscha-Visums aus der Hand nehmen, gegen überschaubaren Obulus.

Die Hilfe gestaltet sich schnell und informell; da ich gerade zur Toilette war, setzte mein Hiwi der Zeitersparnis wegen auch gleich meine Unterschrift unter das Formular; die Signatur im Pass war schließlich eine prima Steilvorlage. Anschließend ging es zur Thai-Passkontrolle (Ausreise), dann zur Kambodscha-Einreise. Und schon waren wir im Land der Khmer.

Der Ort Poipet ist, nun ja, pittoresk. Die Namen der Casinos klingen vertraut in westlichen Ohren, Fotografieren ist nicht erwünscht.

Der kleine Grenzverkehr bewegt große Lasten. Willkommen im Königreich Kambodscha! Die Begrüßung übernimmt das Wahrzeichen des Landes, das auch die Landesflagge ziert: Ein Abbild von Angkor Wat, dem Ziel, das jeder mit Siem Reap verbindet.

Klaus an der Grenze (Foto Faszination Fernost/B. Linnhoff)