Titelfoto: Rüdiger Schrader – Flucht vor dem heraufziehenden Gewitter am Nachmittag, Koh Phangan

Das Auge ist des Menschen verführbarster Sinn

Die Digitalisierung hat ein Heer von Fotografen hervorgebracht: Uns alle. Dank hochentwickelter Technologie schaffen wir es heute auch als begeisterte Amateure, nur mit dem Smartphone vorzeigbare Fotos zu schießen. Niemand verlangt Perfektion. Und ist uns das Bild nicht gut genug, drücken wir halt nochmal drauf. Beschneiden es, fügen ein wenig Brillanz hinzu und einen optimierenden Filter, ehe wir es auf Instagram, Facebook, Snapchat etc. in die Welt hinausposten.

Bevor wir auf Reisen gehen, sind es oft die Fotos in Travelmagazinen, die unsere Sehnsucht nach einem bestimmten Ziel wecken. Doch wann merken wir uns den Namen der Fotografin, des Fotografen? Die professionellen Lichtbildner sind die stillen, oft unbekannten Helden der zeitgenössischen Fotografie. Die Digitalisierung hat ihnen, ungeachtet ihres Wissens, ihrer Expertise und ihres Könnens, manche Absatzchance verhagelt und manches Honorar reduziert.

Was können wir, die begeisterten Amateure, von den Profis lernen? Was haben sie uns voraus? Renommierte Fotografinnen und Fotografen geben hier die Antwort. In loser Folge präsentieren sie in diesem Blog ihre Bilder, die Geschichten hinter den Fotos und die technischen Daten. Das Thema ist vorgegeben: Südostasien mit seinen Menschen, Landschaften, Städten, mit seiner Natur und Architektur. 

Mein Dank gilt heute, in langjähriger Verbundenheit, Rüdiger Schrader für seine spontane Bereitschaft, mein neues kleines Projekt zu unterstützen und den Reigen zu eröffnen.

Faszination Fernost: Die Fotos der Profis

Folge 1: Rüdiger Schrader


Rüdiger Schrader (65) war von 1984 bis 1988 Cheffotograf der Deutschen Presse-Agentur (dpa), von 1988 bis 1994 Fotochef beim Magazin stern in Hamburg und von 1994 bis 2013 Fotochef beim Magazin Focus in München. Ferner zählte er zu den Mitgründern des Magazins Gala. 2014 startete er das Beratungsunternehmen CCS – Creativ Consulting Schrader in Düsseldorf.

Kategorie: Menschen

Urlaub vom Krieg


Aus der Hölle ins Paradies, aus dem Dschungel Vietnams in die Bars von Bangkok. Urlaub vom Krieg. „R&R – Rest and Recreation“ lautet der Slogan, mit der die Fluggesellschaft „PanAm“ allein im Dezember 1968 45 Maschinen nach Hawaii und 65 DC8-Flugzeuge nach Bangkok schickt. Etwa 30000 GIs versuchen so, für 120 Stunden das Grauen des Krieges zu vergessen, bevor sie arm, aber „glücklich“ an die Front zurückfliegen. „To hell with the pay, Vietcong pass me away“ – die oft gehörte Losung in jenen Tagen, die den Ruf der thailändischen Metropole als Sexparadies mitbegründen. Viele GIs stranden nach der Kapitulation in Bangkok, so auch John, Gilmores Vater. Gilmore Jr. (Foto) bezeichnet sich selbst als „Event-Paparazzi“, der – in Bangkok geboren – mit der Videokamera durch die Nachtszene der Stadt tigert. (Aus meinem Buch „Augenblicke – Thailand, Vietnam, Kambodscha“).

NIKON D200, 24-120 mm, 3.5-5.6, 35 mm/f 3.5 , 3 sec ISO 1200

Kategorie: Stadt/Architektur

Das Geheimnis der Götter


Yakshas heißen die Tempelwächter des Kaiserpalastes in Bangkok. Auch wenn dort die Königsfamilie schon lange nicht mehr residiert, bewachen sie doch das spirituelle Herz des Königreiches Thailand. Auch Privathäuser und Wohnungen beherbergen kleine Yakshas, die vor Brand, Untergang und Schaden schützen sollen. Der Götzenglaube ist im thailändischen Alltagsleben tief verwurzelt. Jede Ornamentik, jede kunstvolle Verzierung ist mit spiritueller Bedeutung aufgeladen und mit metaphysischer Symbolik unterlegt (aus meinem Buch „Augenblicke – Thailand, Vietnam, Kambodscha“).

NIKON D200, 24-120 mm, 3.5-5.6, 120 mm/f,10 , 1/80 sec ISO 100

Kategorie: Landschaft/Natur

Angkor Wat


2011 mit analoger Kamera aufgenommen, da wollte ich Sebastiao Salgado nacheifern. In der Tempelanlage Angkor Wat habe ich ausschließlich analog fotografiert, um Mystik und Vergangenheit dieser Stätte besser einfangen und wiedergeben zu können. Auch, um Fine-Art-Vintage-Prints hinterher selber herzustellen. 

Vor allem aber macht es für mich psychologisch einen Unterschied, ob ich digital oder analog fotografiere. Mit der analogen “Maschine“, die noch Krach macht, also ein mechanisches Auslösegeräusch produziert, dich so an 36 Aufnahmen pro Film, also an begrenzte Aufnahmekapazitäten, erinnert, fotografiere ich fokussierter, langsamer, konzentrierter, geduldiger. Da wird Fotografie zur Kontemplation. 

Ich habe nur drei sw-Filme belichtet in den sechs Stunden, in denen ich mich dort aufgehalten habe. Leider hat das Labor meine Filme vernichtet. So sind mir nur wenige Bilder makellos erhalten geblieben, wie dieses hier, das zu meinen Lieblingsbildern von dort zählt. Ich muss also nochmal hin.

NIKON F3, 24-85 mm, 2.8, 35 mm/f.11, 1/250 sec, f.11 ISO 100 – sw Film Ilford 100 ASA

3 Fragen, 3 Antworten


Was fasziniert dich an der Fotografie?

Ich höre, fühle und denke mit den Augen – Fotografie ist die Sprache meiner Sinne, meiner Seele, meines Lebens.

Deine Lieblingskamera und warum?

Immer die jeweilige Nikon, jetzt ist es die Nikon Z7. Leicht. Handlich. Unauffällig. Leise. Und diese automatische Schärfeverfolgung ist unglaublich.

Dein Tipp für uns Hobby-Fotografen?

Jeder Künstler hat einen „kreativen Steinbruch“, aus dem er seine Werke schöpft. Das gilt auch für Fotografen. Daher: ein umfassendes Bildgedächtnis aufbauen. Fotos, Fotografie, Malerei, Filme fortwährend aufsaugen. Mit diesem „Bildwissen“ gelingen bessere Fotos.

Rüdiger Schrader – Infos

Geboren 1957 in Düsseldorf

1979: Master Craftsman Certificate for Photography

Mitglied der Jury des „Sportfoto des Jahres“ sowie des „Hansel-Mieth-Preis“

2014 Eröffnung des Beratungsunternehmens CCS – Creativ Consulting Schrader in Düsseldorf

Buchautor:
„BRASIL //14 – Wo Wir Weltmeister Wurden“
„AUGENBLICKE – Thailand, Vietnam, Kambodscha“

Homepage: CC:S Schrader

Mein Lieblingsfoto: Der Boris-Becker-Hecht


Foto: Rüdiger Schrader (dpa, 1985 in Wimbledon)

Die wahre Geschichte hinter einem der berühmtesten Tennis-Fotos aller Zeiten

Die Fotos derProfis – Folge 2: Dietmar Eckell