This is Thailand: Der Schritt vom Jungen zum Mann

Thanawit Sudjai heißt er offiziell, doch wen interessiert das schon im Land der Spitznamen. Alle rufen ihn nur Ice-Ice Baby, auch seine Mutter Aor (links). Ice-Ice Baby ist ihr Erstgeborener, nach ihm kamen noch fünf Geschwister.

In Thailand steht es jedem frei, seine Religion zu wählen – über neunzig Prozent der Bevölkerung entschieden sich für den Buddhismus, so ist es seit Jahrhunderten Tradition. Wie alle männlichen Thais, so wollte auch Ice-Ice Baby für eine gewisse Zeit ins Kloster – über die Dauer des Aufenthaltes würde er allein entscheiden.

Als Kandidat für den Mönchsorden war der 19-Jährige ein Nag. Zu Lebzeiten Buddhas verwandelte sich eine Naga, eine der mythischen Schlangen, in einen Menschen, um Mönch zu werden. Im tiefen Schlaf allerdings verwandelte sich der Mönch danach zurück zur Naga. Dies wurde dem Buddha zugetragen. Da nur Menschen Mönch werden dürfen, schloss er den Naga-Mönch aus dem Orden aus.

Nagas (Foto Faszination Fernost/B. Linnhoff)

Die Naga bat Buddha um die Gnade, einem angehenden Mönch ihren Name als angenommenen Namen zu veleihen. Der Buddha stimmte zu, und deshalb heißen noch heute alle Mönchsaspiranten Naga oder Nag.

Chiang Mai – Stadt der Tempel und der Mönche

Chiang Mai trägt Orange (Foto Faszination Fernost/B. Linnhoff)

Chiang Mai zählt etwa 330 Tempel, Mönche gehören wie selbstverständlich zum Stadtbild. Ihre Roben können orange- oder safran-farben sein, auch dunkelrot; sie werden mit Pigmenten von Blumen, Früchten, Blättern, Baumrinde oder Wurzeln gefärbt, bevorzugt von Jackfrucht-Bäumen. In dunkles Braun gewandete Mönche meditieren und praktizieren gewöhnlich in Waldtempeln, so auch in meinem lokalen Lieblingskloster Wat Palad

Gute Verbindung: Toey und Ice-Ice Baby (Foto Faszination Fernost/B. Linnhoff)

Einen Tag vor der Ordinierung wurden Ice-Ice Baby die Haare geschoren und die Augenbrauen rasiert. Zur Zeremonie erschien er in Weiß, der Farbe der Reinheit. Nachbarn, Freunde und Familienmitglieder erwarteten ihn mit Geschenken und Spenden. Mit seinem Eintritt in den Mönchsorden wird Ice-Ice Baby Verdienst fürs nächste Leben erwerben, und auch jene, die ihn jetzt unterstützen, sammeln Karmapunkte.

Foto Faszination Fernost/B. Linnhoff

Ich wage nicht zu beurteilen, ob alle Mönche das Gebot einhalten, die Speisen vom frühen Almosengang bis spätestens elf Uhr morgens zu vertilgen und danach zu fasten. Wohlgenährte Repräsentanten Buddhas waren schon oft Thema in den thailändischen Medien.

Die Ordination fand im Wat Wang Sing Kham statt, unweit des Ping-Flusses am Stadtrand von Chiang Mai. In einem Tempel, in dem mich vor allem die Wandmalereien beeindruckten.

Jetzt geht`s los: Die Mönchsweihe

Wie immer bei buddhistischen Zeremonien, so gefällt mir auch diesmal die heitere Atmoshpäre. Entspannt telefonierende Mönche und Kleinkinder, die selbst in den feierlichsten Momenten spielen dürfen, ohne dass ein Erwachsener eingreift. Und ich darf ungestört neben und zwischen den Mönchen mit der Kamera herumfuchteln.

Zum Start umrunden alle Anwesenden die Gebetshalle (auf Thai Ubosot oder auch Bot) drei Mal im Uhrzeigersinn. Akustisch begleitet von einem Mann, der derart schief jodelt, dass die Gemeinde jauchzend oder in ähnlich schrägen Tönen antwortet.

Rundlauf (Foto Faszination Fernost/B. Linnhoff)

Bevor es in den Bot geht, waschen die angehenden Mönche ihren Müttern die Füße – ein Ritual des Respekts.

Foto Faszination Fernost/B. Linnhoff

Die Ordination bleibt den ältesten Mönchen eines Wat (Tempels) vorbehalten. Für die etwa 45minütige Zeremonie müssen die Kandidaten zuvor einige Worte der Pali-Sprache lernen, um die Fragen der Senior-Mönche in diesem mittelindischen Idiom beantworten zu können – Pali ist für den Buddhismus, was das Kirchenlatein für den Katholizismus ist.

Pali – oh mein Buddha! (Foto Faszination Fernost/B. Linnhoff)

Nach ihrer Ordinierung sind die frischgebackenen Mönche nicht am Ziel, sondern gerade mal am Start. Im Kloster werden sie isoliert sein von Freunden und Genussmitteln, sie werden im Morgengrauen bei Wind und Wetter losziehen zu ihrem Almosengang und nach der Rückkehr die langen, oft einschläfernden Gesänge und Gebete ertragen müssen. In ihrer Mönchsphase dürfen die Männer keinen Sex haben (auch nicht mit ihrer Ehefrau, falls vorhanden), nicht allein mit einer Frau sprechen und diese nicht berühren. Nix ist also mit Sanuk, dem sehr weltlichen Spaß an der Freude, der in der DNA der Thais liegt. 

Ice-Ice Baby tauscht nun das Perlweiß der Reinheit ein gegen das Orange eines echten Mönchs. Allein das Handling der Robe muss er noch lernen, und das ist keinswegs einfach. Das Set besteht aus drei Teilen:

Die Robe (Foto Faszination Fernost/B. Linnhoff)

Sabong (eine Art Wickelrock)

Jeevorn (ein schlauchartiges Stück Tuch, das mehrfach gedreht wird)

Sanghati (zum Bedecken der Schulter)

Es wird Zeit für uns zu gehen. Am nächsten Morgen wird Thanawit Sudjai, den alle Ice-Ice Baby nennen, mit seiner Almosenschale losziehen, die Essensspenden der Gläubigen am Straßenrand entgegennehmen und zum Dank ein Gebet für jeden Spender sprechen.

Den Segen seiner Mutter hat er.

Fotos: Faszination Fernost/B. Linnhoff

Ein schöner Tag in Chiang Mai – wir waren dabei

Fotos: Faszination Fernost/B. Linnhoff – Video: Bernd Linnhoff/Moritz Linnhoff