Die ersten Eindrücke

Die feuchten Fühler des Taifuns

Taipeh ist keine touristische Destination; die Taiwaner (offizielle Bezeichnung) bzw. Taiwanesen (umgangssprachlich) begegnen dem Fremden mit unaufdringlicher Freundlichkeit und meist ohne große Englisch-Kenntnisse.

Die zahlreichen gelben Taxis auf mehrspurigen Hauptverkehrsadern erinnerten, in Kombination mit den oft rotbraunen Häuserfassaden, ein wenig an New York. Allerdings bescheiden sich die Häuser hier mit geringeren Höhen und enden im 15. bis 20. Stockwerk. Fast absurd hoch wirkt daher der Taipei 101 Tower – bis 2007 das höchste Gebäude der Welt, ein Riese, umgeben von Zwergen.

Am Fuße des Towers sah ich einen Taiwanesen im Trikot der deutschen Fußball-Nationalmannschaft. Warum gerade dieses Hemd? „Germany, my country!“ sagte ich, auf das DFB-Wappen zeigend. Er schaute fragend seine Frau an, sie schaute fragend zurück. So blieb es beim Foto. Wer ein wenig mehr über Land und Leute erfahren will und das aktuell, ist mit diesem Blog gut bedient:

In TaiwanDer Hamburger Journalist Klaus Bardenhagen lebt seit 2009 auf der Insel und versucht, „Taiwan in der Welt ein wenig bekannter zu machen.

Zur Linken sah ich einen achteckigen, europäisch anmutenden Ziegelbau. So geriet ich ins Red House, das kulturelle und kreative Zentrum Taipehs. Seit hundert Jahren Theater, Kino und Bühne für Peking-Oper, Popkonzerte, Tanzshows, Modenschauen, Komödien, Dramen; nicht zuletzt auch Museum, das einen Blick auf das alte Formosa ermöglicht. Der Hollywood-Kriegsfilm „The Longest Day“ wurde in den Sechzigern im Red House gezeigt; selbst Adolf Hitler war dort zu Gast. Zumindest auf der Leinwand. Details dazu konnte ich wegen der chinesischen Schriftzeichen nicht ausmachen.

Taiwans Nationalheld blickt auf sein Erbe

„Sein großes Verdienst ist doch“, sagt einer der Veteranen, die noch unter dem Generalissimus gekämpft haben, „dass Taiwan heute sicher ist vor den Kommunisten.“ Wie bitte? Wir sprechen über Taiwan, das autonom regiert wird, dennoch eine Provinz der Volksrepublik China ist, aber froh darüber, vor den Kommunisten sicher zu sein. Seltsame Konstellation. Die Taiwaner zucken nur mit den Schultern: Sonderstatus halt. Muss als Erklärung reichen. Hauptsache, sie sind sicher vor den Kommunisten. Die zugleich wichtigster Handelspartner der Inselrepublik sind.

Ohne Chiang Kai-shek gäbe es das heutige Taiwan nicht. Nicht seine Wirtschaftskraft, den Wohlstand, die Unterstützung der USA und das störrische Beharren auf Eigenständigkeit. Schon 1937 war der General im US-Time- Magazin Mann des Jahres, zusammen mit seiner Frau Song Mei-ling.

Sein Aufstieg zur Ikone der Insel Formosa, heute Taiwan, begann 1949 – mit einer Niederlage. Chiang Kai-shek verlor mit seinen Kuomintang-Truppen auf dem Festland gegen Maos Kommunisten und zog sich auf die Insel nach Taipeh zurück. Dort starb er 1975. Immer noch in der Hoffnung auf ein vereinigtes China; unter seiner Führung natürlich.

Monument der nationalen Identität

Die Chiang Kai-shek Memorial Hall steht im Zentrum Taipehs. Für Taiwaner in aller Welt ist sie das Monument der nationalen Identität, gefasst in weißen Marmor. Grundriss und bauliche Details weisen in ihrer Symbolik weit über die Funktion hinaus.

Die 89 Stufen hoch zum Eingang erinnern an das Todesalter von Chiang Kai-shek. Die Inschriften an der Wand über der Statue loben „Ethik, Demokratie und Wissenschaft“. An den Seitenwänden steht u. a.: „Die Berufung des Lebens ist die Verbesserung des allgemeinen Lebens der Menschheit.“ Loriot hätte diesen Satz geliebt – und ihm mit einem eleganten Schlenker noch den letzten Rest Sinn ausgetrieben.

Steine und Beine: Der Huldigungsboulevard

Gegenüber der Memorial Hall am Ostende des Liberty Square endet der Huldigungsboulevard zwischen Nationaltheater und Nationaler Konzerthalle. Am Tor der „Großen Mitte und Aufrichtigkeit“. Der Platz der Freiheit dient wahlweise als Paradeplatz für ausländische Würdenträger, als Exerzierstätte für Soldaten und als Bühne für Tanz- und Kampfkunstveranstaltungen. Am Tag meines Besuches übten Schüler (oder waren es Soldaten?) in Hundertschaften die Choreographien für den „Double Ten Day“, den Nationalfeiertag. Die Volksrepublik China feiert den Nationalfeiertag am 1. Oktober. Taiwan, die Republik China, feiert ihren am 10. Oktober. Sonderstatus halt.

Taiwan – Der Himmel ist die Grenze
Taiwan – Kölle alaaf in Taipeh