Titelfoto: Imago

Physisch bin ich seit 2008 in Asien daheim, mein letzter Deutschland-Aufenthalt liegt zweieinhalb Jahre zurück. Doch dank Internet bleibe ich der alten Heimat informativ und mental verbunden. Das war in den letzten Monaten auch deshalb wichtig, weil sie sehr ruhig und weitgehend ereignislos verliefen. Was in diesen Zeiten nicht schlecht sein muss. Im Juli waren wir zu ersten Impfung mit AstraZenica in Bangkok. Nach der Rückkehr mussten wir einmal mehr 14 Tage in häuslicher Quarantäne verbringen, meine Frau zeigte erstmals Anzeichen von Lagerkoller.

September 2021: Freund John Fengler am Flughafen Suvarnabhumi in Bangkok (Foto: privat)

Im Moment bewegt sich die Zahl der täglichen Covid-19-Neuinfektionen im Land stabil zwischen 10000 und 15000. Das spricht nicht für plötzliche Freizügigkeit und eine Öffnung des Landes für den Tourismus.  Aber die wirtschaftliche Not vieler Thais sorgt für massiven Druck. Duschen ohne nass zu werden: Thailands Regierung bevorzugt zum Thema Öffnung zwei in Deutschland bestens bekannte Strategien: Die Echternacher Springprozession (Ein Schritt vor, zwei zurück) und die Kommunikation à la Adenauer (Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern).

Abschied nehmen

Besonders bewegt hat mich der Abschied von vielen Menschen, die nicht nur meiner Generation auf unterschiedliche Art Freude bereitet haben. Sie waren – wie Alfred Biolek, Karl-Heinz Bohrer, der geniale Cartoonist Martin Perscheid (55) oder Jean-Claude Belmondo (88) – großartige, unterhaltsame Weggefährten, dafür musste man sie nicht persönlich kennen. 

Auch John Gaitens war Musiker, kein berühmter, er spielte den Bass mit links. Der gebürtige Schotte lebte lange in Australien und zuletzt im thailändischen Hua Hin. Kam er nach Chiang Mai, trafen wir uns, bevor er in der Live-Musik-Bar CU Corner die Gitarre auspackte. Ein feiner Kerl, es war mir immer eine Freude, John.

Bild links: John Gaitens und Dao von CU Corner

Der Tod meines Kollegen Wolf-Dieter Poschmann (70) hat mich ebenso kalt erwischt wie der des großartigen (Sport-)Fotografen Rainer Martini (73). Andere trugen zum Soundtrack meines Leben bei: Dusty Hill/ZZ Top, Charlie Watts (80) natürlich, Mikis Theodorakis (88) und Don Everly (84): Eine Stimme wie aus Sternenstaub.

Abschlussbild unseres A-Lizenz-Lehrgangs in den Siebzigern. Karl-Heinz Heddergott, vodere Reihe, 5. von links

Fußballlehrer Karl-Heinz Heddergott starb im Alter von 94 Jahren; bei ihm habe ich in den Siebzigerjahren in der Sportschule Hennef die Trainer-A-Lizenz erworben. Mit ihm verbinde ich aber auch sein erstes Training beim 1. FC Köln. Ich saß neben Karl-Heinz Thielen, der Heddi als Weisweiler-Nachfolger verpflichtet hatte, auf der Terrasse des Geißbockheims. Heddergott rief die Mannschaft zur Begrüßung zusammen und endete mit der Aufforderung zu einem „kräftigen Hipp-Hipp-Hurra“. Die Profis schauten sich verdutzt an, und Thielen vergrub sein Gesicht in den Händen. Schon zum Start war Heddis Zeit beim FC praktisch beendet.

Auch Wilfried van Moer (Belgien/76), Giampiero Boniperti (92) – „Der Landvermesser“, ein wunderbarer Nachruf -, Luggi Müller (79), Danilo Popivoda (74) und Jimmy Greaves (81) – „Ein Herz für Tore“ – kicken nun weiter oben. Es ist ein Glück, von all diesen Größen Videos abrufen zu können. Bei Gerd Müller (76) brauche ich nicht einmal die. Noch immer kann ich viele seiner Aktionen mühelos vor mein geistiges Auge rufen, der Abschied fällt mir schwer. In der Süddeutschen Zeitung begann Holger Gertz seinen wunderbaren Nachruf so:

„Der Instinktfußballer Gerd Müller war der treffsicherste Spieler seiner Zeit, vermutlich aller Zeiten. Zum Tod eines Mannes, der selbst die wachsen ließ, die ihm nur zusahen.“ Leider steht der komplette Beitrag hinter der Bezahlschranke.

Zitat der Woche

Die SZ über den Cocktail Negroni:Nach dem ersten Glas will man nicht mehr arbeiten, nach dem zweiten kann man nicht mehr.“                                                                           

Ein typischer Perscheid