Die Vergangenheit holt mich ein

Foto Faszination Fernost/B. Linnhoff

Über die Jahre habe ich mich daran gewöhnt, dass in Thailand hinter jeder Ecke eine Überraschung lauert. Dass ich jedoch in Bangkok vor einer alten Olympia-Schreibmaschine stehen würde, lag außerhalb meines Vorstellungsvermögens. Hätte ich eine Stadt nennen müssen, in der ich mein altes Tastenmonster auf keinen Fall antreffen würde, es wäre Thailands Hauptstadt gewesen.

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Es gibt tausende Hotels in Bangkok, ich buchte ein Zimmer im „The Davis“ in der Sukhumvit Road 24. Die Lobby betrat ich ohne Arg. Auf dem Weg zur Rezeption sah ich meine Jugend vor mir und meine ersten Journalistenjahre. Registrierkassen, riesige Kameras der berühmten Firma Linhof mit einem n und einem f, ein Graetz-Radio und die beliebte Combo Radio/Plattenspieler. Und zwei Schreibmaschinen. Die Olympia-Reiseschreibmaschine, Jahrgang 1936, die ich leider nie besaß, und ihre großformatige Verwandte, die Olympia SG 1 von 1958 (Titelbild), die mir mein Vater früh geschenkt hatte.

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Solange sich das Monster nicht bewegte, war alles in Ordnung. Doch über lange Jahre beschwerte die Maschine meine Reisen, mit ihrer sperrigen Eleganz und dem Gewicht eines Schrankkoffers.

Die SG 1 war verlässlich, einmal spielte sie sogar Glücksfee. Obwohl oder gerade weil ich sie vergessen hatte. Es war der Tag nach dem Finale der Fußball-Europameisterschaft 1980 in Rom, wir Journalisten flogen mit der deutschen Mannschaft heim nach Frankfurt. Kurz vor Betreten des Flugzeugs merkte ich, dass ich meine Olympia am Gate vergessen hatte. Offenbar war ich nach den nächtlichen Feierlichkeiten mental und physisch genauso angeschlagen wie die Spieler. Immerhin konnte ich mir sicher sein, dass niemand dieses Ungetüm klauen würde. Der lange Gang zum Gate aber – und vor allem zurück – brachte mich fast um.

Als letzter Passagier enterte ich das Flugzeug. Es gab nur noch einen freien Sitzplatz: In der Mitte zwischen Bundestrainer Jupp Derwall und seinem Co Erich Ribbeck. „Wenn`s denn sein muss“, murmelte Jupp. Kurz nach Erreichen der Flughöhe stimmte Libero und Vorsänger Uli Stielike die ersten Volkslieder an, die anderen Europameister fielen ein. Und ich saß da, wo jeder Journalist gerne sitzt: in der ersten Reihe.

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